26. Hilzinger Kunstausstellung 2011 mit Sonderausstellung Simon Dittrich

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Das Faszinosum der Wiederholung

Ein Blick ins Werk von Ralph Fleck

Genau da, wo Ralph Fleck uns einen atemberaubenden Realismus vorgaukelt, ist er ganz Maler. Würden es die technischen Gepflogenheiten eines Museums zulassen, könnte man sich mit der Nase an die Oberfläche seiner Bilder stoßen, um die perfekte Darstellung zu würdigen und gleichzeitig gewahr zu werden, dass das, was wir vor uns haben, nichts als Farbe auf Leinwand ist. (Man erinnere sich an die antike Anekdote von dem Vögelchen, das versuchte, gemalte Beeren aus einem Gemälde zu picken: so gemeindarf Kunst sein.) Freilich gehört die.ses Spiel zum Handwerk. Ob Fleck nun eine Knoblauchzwiebel, ein Gebirgsmassiv oder ein Bücherregal malt, ist offenbar zweitrangig, und doch bedarf es dieser gegenständlichen Vergewisserung, ja möglicherweise eines sinnlichen Reizes, um loszulegen. Alles Weitere ist Dienst am Bild, nicht am Sujet. Längst sind die Grenzen zwischen abstrakten und figurativen Hoheitsgebieten eingerissen - reizvoller zumindest für die Malerei sind die Fragen: Wie abstrakt kann der Farbauftrag sein, um immer noch ein realistisches Motiv erkennen zu lassen? Und wie weit darf eine gegenständliche Szene "ausformuliert" sein, um der eigenmächtigen Farbigkeit ihre Show nicht zu stehlen.

Als geordnetes Informe hat Fleck es einmal selbst beschrieben. Es mag paradox erscheinen: Flecks auffallende Lust an Serien ist allenfalls zufällig an Inhalte gebunden, gehören also nicht zur Erinnerungskultur - der Betrachter mag dahin schmelzen vor einem seiner Amsterdam-Bilder, tatsächlich ist es aber einerlei, ob auf der Leinwand die Hollandmetropole oder Paris oder New York zu erkennen ist. Es ist sogar so, dass die Freiluftmalerei nicht das Anliegen des Künstlers ist.

Ralph Fleck zieht Fotografien, selbst vorgefundene, oder gar Postkarten als Vorlage vor. Nein: Seine (nahezu foto-) realistisch sich verkleidenden Alpenmotive, Feld- und Flurbilder, Figurendarstellungen, Landschaftsdarstellungen, Seestücke, Stadtansichten und Stillleben lassen sich eher vergleichen mit der Hardcore-Geometrie von Mondrian bis Stankowski, deren serielle Kunst sich aus dem Umstand erklärt, dass sich die reine, das meint schon wieder konkrete Variation von Form und Farbe unendlich viele Möglichkeiten bietet. So unterbricht Ralph Fleck auch seine Themengruppen nur, um andere Serien kreuzen zu lassen.

Schaut man sich in der Vita des 1951 in Freiburg i. B. geborenen Künstlers um, begegnet man in den 70er Jahren dem Meisterschüler bei Peter Dreher, der selbst noch die späten Ausläufer der Neuen Sachlichkeit in Karlsruhe aufnehmen konnte, wo er 1968 Professor wurde. Als Ralph Fleck ihm in der Freiburger AußensteIle begegnete, begann er eben mit seiner Gläser-Serie ("Tag um Tag ist guter Tag"), die bis heute andauert und bislang rund 4300 Bilder umfasst: Warum, so der Grundtenor, sollte es nötig sein, immer vor ein neues Motiv zu sitzen? Ein Glas ist ein Glas ist ein Glas....., das heißt auch: Ein Glas - Dreher stellt es leer dar - ist so gut wie ein volles, ist so gut wie eine Figurengruppe, eine Landschaft, eine Rose. Ralph Fleck, seit 2003 Professor für Malerei an der Nürnberger Akademie, übernahm nicht diese rigide Systematik, wohl aber die Idee des Systems. Seine Bilderserien sind bestimmt von der Farbe, inhaltlich sind sie weltoffener, und der Mensch ist genauso Thema wie die Dingwelt oder die große Natur. Nach seiner Berufung dehnte Fleck seinen Wirkungskreis auf Nürnberg aus, nach wie vor hält er aber seinen Lebensmittelpunkt in Kirchzarten im Freiburger Raum; ein Atelier in Portugal nutzt er als Refugium. Ralph Fleck relativiert die Wirklichkeit an ihrer eigenen, wirklichen Erscheinung, man kann auch sagen: er entlarvt diese allerorten vor sich hergetragene Jetzt-mal-die-Wirklichkeit, die nichts anderes ist als die subjektive Beobachtung dessen, der als Meinungsführer bestimmt, was wirklich zu sein hat. Vor lauter Wirklichkeiten denkt Fleck gar nicht daran, als Realist aufzutreten. Mit malerischer Raffinesse dokumentiert er das Sichtbare, wobei er eine Position einnimmt, die der Normalgucker in der Regel nicht hat - die Optik von oben. Damit entzieht er sich schon mal der Möglichkeit, selbst in die Rolle eines VorbiId- oder gar Leitrealisten zu geraten. So sieht das niemand. Wie von einem Satelliten herangezoomt segmentiert er ein Stück Stadt für sein Bildformat, in derselben Detailgenauigkeit hält er den Pinsel auf eine Müllkippe oder auf einen menschenübersäten Strand, ein voll besetztes Stadion usw. Bestimmt im Häusermeer die Geometrie das Bild, sind es pastose Strichhäufungen, die aus der puren Abstraktion heraus die anonyme Masse Mensch gebiert. Und sogar da, wo Fleck Einzelpersonen darstellt, schafft er Typen, keine Persönlichkeiten.

Die Wirklichkeit spielt sich. Nirgends führt Ralph Fleck das besser vor als in den reinen Naturdarstellungen. Vergleichsweise ruhig strömen etwa Felder über die Ebene - wieder aus der Vogelperspektive gesehen. Doch wie trügerisch die gesetzte Naturtreue ist, zeigen die farbig verschlungenen Feldstücke, bei denen der reale Bezug dieses Fleck-Teppichs ins Abstrakte umkippt - der Künstler entwirft hier für den Betrachter eine Art Chaostheorie.

Das pure Schauspiel inszeniert er mit seinen Seestücken: ungebändigte Wellen brechen über Steinmassen zusammen, rollen aufs Ufer zu, laufen aus, zeigen sich in einer verebbenden Atempause. Da bekommt der Betrachter gar nicht mehr mit, dass es - um im theatralischen Bild zu bleiben - gar kein wirklich handelndes Moment mehr gibt, das er allenfalls zu sehen glaubt. Und den Gipfel dieser eruptiven, gestischen Malerei bilden die Alpenbilder, in deren besten Beispielen eine minimale Farbspur genügt, die im Sonnenlicht zurückstrahlenden Spitzen einer Bergkette wiederzugeben oder überhaupt in der Negativform eine Schneekuppe anzudeuten. Da fallen hohe Dramatik und inhaltliches Nichts in eins, aber keineswegs als emotional gesteuerte Befindlichkeit oder Ausdruck melancholischer oder depressiver Stimmungen.

Es mag eine Portion Lebensbejahung sein, wenn Ralph Fleck die Kunst nimmt als das, was sie ist: ein schöner Schein.
(gb)

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Biografie

Ralph Fleck

1951

geboren in Freiburg im Breisgau, Umzüge nach
Lindau, EI Paso / Texas, Ahlhorn / Oldenburg und
Gießen (Abitur)

1973-78

Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden
Künste in Karlsruhe (AußensteIle Freiburg)
Meisterschüler bei Peter Dreher

1977

Förderpreis der Sparkasse Karlsruhe
"Landschaft heute"

1978

Preis des Kulturkreises im BDI
(Bunde;;verband der Deutschen Industrie)

1981

Stipendium Villa Massimo in Rom
(Aufenthalt 1984-85)

1982

Förderkoje Kunstmesse Düsseldorf
(Galerie Hermeyer)

seit 2003

Professor für Malerei an der Akademie der Bildenden
Künste in Nürnberg

 
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