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Genau da, wo Ralph Fleck
uns einen atemberaubenden Realismus vorgaukelt, ist er ganz Maler. Würden es
die technischen Gepflogenheiten eines Museums zulassen, könnte man sich mit der
Nase an die Oberfläche seiner Bilder stoßen, um die perfekte Darstellung zu
würdigen und gleichzeitig gewahr zu werden, dass das, was wir vor uns haben,
nichts als Farbe auf Leinwand ist. (Man erinnere sich an die antike Anekdote
von dem Vögelchen, das versuchte, gemalte Beeren aus einem Gemälde zu picken:
so gemeindarf Kunst sein.) Freilich gehört die.ses Spiel zum Handwerk. Ob Fleck
nun eine Knoblauchzwiebel, ein Gebirgsmassiv oder ein Bücherregal malt, ist
offenbar zweitrangig, und doch bedarf es dieser gegenständlichen
Vergewisserung, ja möglicherweise eines sinnlichen Reizes, um loszulegen. Alles
Weitere ist Dienst am Bild, nicht am Sujet. Längst sind die Grenzen zwischen
abstrakten und figurativen Hoheitsgebieten eingerissen - reizvoller zumindest
für die Malerei sind die Fragen: Wie abstrakt kann der Farbauftrag sein, um
immer noch ein realistisches Motiv erkennen zu lassen? Und wie weit darf eine
gegenständliche Szene "ausformuliert" sein, um der eigenmächtigen
Farbigkeit ihre Show nicht zu stehlen.
Als geordnetes Informe hat Fleck
es einmal selbst beschrieben. Es mag paradox erscheinen: Flecks auffallende
Lust an Serien ist allenfalls zufällig an Inhalte gebunden, gehören also nicht
zur Erinnerungskultur - der Betrachter mag dahin schmelzen vor einem seiner
Amsterdam-Bilder, tatsächlich ist es aber einerlei, ob auf der Leinwand die
Hollandmetropole oder Paris oder New York zu erkennen ist. Es ist sogar so,
dass die Freiluftmalerei nicht das Anliegen des Künstlers ist.
Ralph Fleck zieht
Fotografien, selbst vorgefundene, oder gar Postkarten als Vorlage vor. Nein:
Seine (nahezu foto-) realistisch sich verkleidenden Alpenmotive, Feld- und
Flurbilder, Figurendarstellungen, Landschaftsdarstellungen, Seestücke,
Stadtansichten und Stillleben lassen sich eher vergleichen mit der
Hardcore-Geometrie von Mondrian bis Stankowski, deren serielle Kunst sich aus
dem Umstand erklärt, dass sich die reine, das meint schon wieder konkrete
Variation von Form und Farbe unendlich viele Möglichkeiten bietet. So
unterbricht Ralph Fleck auch seine Themengruppen nur, um andere Serien kreuzen
zu lassen.
Schaut man sich in der Vita
des 1951 in Freiburg i. B. geborenen Künstlers um, begegnet man in den 70er
Jahren dem Meisterschüler bei Peter Dreher, der selbst noch die späten
Ausläufer der Neuen Sachlichkeit in Karlsruhe aufnehmen konnte, wo er 1968
Professor wurde. Als Ralph Fleck ihm in der Freiburger AußensteIle begegnete,
begann er eben mit seiner Gläser-Serie ("Tag um Tag ist guter Tag"),
die bis heute andauert und bislang rund 4300 Bilder umfasst: Warum, so der
Grundtenor, sollte es nötig sein, immer vor ein neues Motiv zu sitzen? Ein Glas
ist ein Glas ist ein Glas....., das heißt auch: Ein Glas - Dreher stellt es leer
dar - ist so gut wie ein volles, ist so gut wie eine Figurengruppe, eine
Landschaft, eine Rose. Ralph Fleck, seit 2003 Professor für Malerei an der
Nürnberger Akademie, übernahm nicht diese rigide Systematik, wohl aber die Idee
des Systems. Seine Bilderserien sind bestimmt von der Farbe, inhaltlich sind
sie weltoffener, und der Mensch ist genauso Thema wie die Dingwelt oder die
große Natur. Nach seiner Berufung dehnte Fleck seinen Wirkungskreis auf
Nürnberg aus, nach wie vor hält er aber seinen Lebensmittelpunkt in Kirchzarten
im Freiburger Raum; ein Atelier in Portugal nutzt er als Refugium. Ralph Fleck
relativiert die Wirklichkeit an ihrer eigenen, wirklichen Erscheinung, man kann
auch sagen: er entlarvt diese allerorten vor sich hergetragene
Jetzt-mal-die-Wirklichkeit, die nichts anderes ist als die subjektive Beobachtung
dessen, der als Meinungsführer bestimmt, was wirklich zu sein hat. Vor lauter
Wirklichkeiten denkt Fleck gar nicht daran, als Realist aufzutreten. Mit
malerischer Raffinesse dokumentiert er das Sichtbare, wobei er eine Position
einnimmt, die der Normalgucker in der Regel nicht hat - die Optik von oben.
Damit entzieht er sich schon mal der Möglichkeit, selbst in die Rolle eines
VorbiId- oder gar Leitrealisten zu geraten. So sieht das niemand. Wie von einem
Satelliten herangezoomt segmentiert er ein Stück Stadt für sein Bildformat, in
derselben Detailgenauigkeit hält er den Pinsel auf eine Müllkippe oder auf
einen menschenübersäten Strand, ein voll besetztes Stadion usw. Bestimmt im
Häusermeer die Geometrie das Bild, sind es pastose Strichhäufungen, die aus der
puren Abstraktion heraus die anonyme Masse Mensch gebiert. Und sogar da, wo
Fleck Einzelpersonen darstellt, schafft er Typen, keine Persönlichkeiten.
Die Wirklichkeit spielt
sich. Nirgends führt Ralph Fleck das besser vor als in den reinen Naturdarstellungen.
Vergleichsweise ruhig strömen etwa Felder über die Ebene - wieder aus der
Vogelperspektive gesehen. Doch wie trügerisch die gesetzte Naturtreue ist,
zeigen die farbig verschlungenen Feldstücke, bei denen der reale Bezug dieses
Fleck-Teppichs ins Abstrakte umkippt - der Künstler entwirft hier für den
Betrachter eine Art Chaostheorie.
Das pure Schauspiel
inszeniert er mit seinen Seestücken: ungebändigte Wellen brechen über
Steinmassen zusammen, rollen aufs Ufer zu, laufen aus, zeigen sich in einer
verebbenden Atempause. Da bekommt der Betrachter gar nicht mehr mit, dass es -
um im theatralischen Bild zu bleiben - gar kein wirklich handelndes Moment mehr
gibt, das er allenfalls zu sehen glaubt. Und den Gipfel dieser eruptiven,
gestischen Malerei bilden die Alpenbilder, in deren besten Beispielen eine
minimale Farbspur genügt, die im Sonnenlicht zurückstrahlenden Spitzen einer
Bergkette wiederzugeben oder überhaupt in der Negativform eine Schneekuppe
anzudeuten. Da fallen hohe Dramatik und inhaltliches Nichts in eins, aber
keineswegs als emotional gesteuerte Befindlichkeit oder Ausdruck
melancholischer oder depressiver Stimmungen.
1951
geboren in Freiburg im Breisgau, Umzüge nach
1973-78
Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden
1977
Förderpreis der Sparkasse Karlsruhe
1978
Preis des Kulturkreises im BDI
1981
Stipendium Villa Massimo in Rom
1982
Förderkoje Kunstmesse Düsseldorf
seit 2003
Professor für Malerei an der Akademie der Bildenden |
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